Donnerstag, 22. November 2012

Traumurlaub mit Hindernissen

Am Donnerstag, dem 15.11 war es endlich soweit. Svenja, Melanie und ich machten uns gegen 7 Uhr abends auf in den so heiß ersehnten Urlaub nach Ukunda in der Nähe von Mombasa, wo der wunderschöne Diani Beach auf uns wartete. Mit Sack und Pack setzten wir uns in einen Stadtbus, der uns von Buruburu (der Stadtteil, in dem wir wohnen) ins City Center bringen sollte. Fast wäre dieser wunderschöne Urlaub ins Wasser gefallen, denn als wir im Stau standen, kamen plötzlich zwei Männer in den Bus, hielten eine Waffe in die Luft und riefen irgendwas, was ich nicht verstanden haben. Dann gingen sie hektisch durch den Bus und nahmen fast allen Leuten ihre Taschen weg. Bis ich überhaupt verstanden hatte, was eigentlich gerade passiert, waren Svenjas uns Melanies großen Rucksäcke schon weg. Voll geschockt und ohne darüber nachzudenken, was ich da überhaupt mache, habe ich meine beiden Taschen unter den Sitz gestopft. Dann kam einer der Männer auf mich zu und ich habe echt Angst bekommen, dass er meine versteckten Taschen sieht und sauer wird. Schließlich hatte er ja eine Waffe. Dann ist er umgedreht und die Männer sind wieder raus aus dem Bus. Zusammen mit dem Typen, der vorher noch das Fahrtgeld eingesammelt hat. Anscheinend kannten die sich dann wohl…
Alle Leute im Bus waren voll schockiert und konnten nicht fassen, was gerade passiert war. Eine Kenianerin, die neben mir saß, erzählte mir, dass sie immer mit Bussen unterwegs wäre und ihr so etwas noch nie in ihrem ganzen Leben passiert wäre. Und diese Frau schien mir so um die 50 Jahre alt zu sein. Auch die anderen Leute im Bus schienen echt nicht an so eine Art Überfall gewöhnt zu sein und viele drückten Melanie und Svenja, die gerade ihr Gepäck verloren hatten, ihr Mitgefühl aus. Auch als wir später Leute von CIVS anriefen, wurde uns gesagt, dass es wohl schon Jahre her sei, dass so was passiert ist. Also nichts, was hier an der Tagesordnung ist oder was man allgemein mit Kenia in Verbindung bringen könnte. Es gibt zwar mehr Kriminalität im Vergleich zu beispielsweise Deutschland, da es einfach weniger Geld gibt. Das heißt aber selbstverständlich nicht, dass alle Kenianer kriminell wären, was ja auch an der Reaktion der anderen Mitfahrer im Bus sehr deutlich wurde. Wir hatten halt das Pech, bei diesem Einzelfall dabei zu sein.
Der Busfahrer hat dann erstmal alle zur Polizeistation gebracht und es wurde aufgeschrieben, was alles weggekommen ist. Nach kurzen Überlegungen haben wir drei uns überlegt, dass wir uns durch diesen Vorfall nicht den Urlaub vermiesen lassen wollen. Schließlich hatte ich ja noch meine Sachen, die wir dann einfach teilen konnten. Wir riefen ein Taxi, um noch rechtzeitig zum Reisebus zu kommen und nach einer ca. 10-stündigen Nachtfahrt kamen wir in unserem Hotel im ca. 500 km entfernten Ukunda an.
Dort hatten wir für umgerechnet 10 Euro pro Nacht und pro Person ein ziemlich großes, komfortables,  gemütlich eingerichtetes und vor allem sauberes Appartement in einer echt schönen Hotelanlage mit Pool und direkt am Strand.

Das Hotel

Ein kurzer Weg zum Strand

Mein Schlafgemach mit Moskitonetz, da an der Küste das Malariarisiko ziemlich hoch ist.


Nach einem ausgiebigen Frühstück sind wir auf den Markt gegangen, um Svenja und Melanie neu mit Klamotten, Zahnbürsten etc. auszustatten. Als wir das nötigste für die nächsten Tage hatten, gingen wir an den Strand und waren überwältigt von seiner Schönheit. Schneeweißer Sand, türkisblaues Wasser, Palmen soweit das Auge reicht, keine Liegestühle, kaum Menschen, keine Kinder und auch sonst kein Anzeichen von Massentourismus. Und das Wasser des indischen Ozeans, dessen Temperaturen an der kenianischen Küste zwischen 25 und 30 Grad schwanken, erinnerte an eine Badewanne. Nachdem wir den restlichen Nachmittag dort verbracht hatten sind wird abends recht früh und erschöpft ins Bett gefallen, da wir von der Busfahrt in der Nacht zuvor und von der Shoppingtour in praller Sonne bei schätzungsweise über 30°C sehr kaputt waren.

Für den nächsten Tag hatten wir eine Tagestour nach Mombasa (ca. 30 km entfernt) geplant. Wir sind mit einem Matatu zur kostenlosen Fähre gefahren, die uns innerhalb von ein paar Minuten nach Mombasa (eigentlich eine Insel) brachte.

Menschen, die zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs sind,
strömen von der Fähre, als diese in Mombasa anlegt.


Dort haben wir uns wie richtige Touristen erst mal mithilfe eines Reiseführers einen Plan gemacht, welche Sachen wir in welcher Reihenfolge besichtigen wollten. Wirklich ungewohnt, nachdem wir in uns in Nairobi immer Mühe gegeben hatten, auch mit weißer Haut nicht wie Touristen zu wirken. Aber im Urlaub ist das ja ok. Unsere erste Station waren die Tusks (Stoßzähne), das Wahrzeichen von Mombasa. Ich musste daran denken, dass es in Kenia eine Supermarktkette namens Tuskys gibt und auch eine sehr bekannte Biermarke namens Tusker (sehr zu empfehlen). Wär mal interessant zu wissen, ob das miteinander zusammenhängt.

 Die Tusks: Das Wahrzeichen von Mombasa


Anschließend fuhren wir mit einem Tuctuc zum hinduistischen Shiva Tempel. Ein sehr prunkvolles und meiner Meinung nach sehr schönes Gebäude mit Gartenanlagen und vielen Statuen zu Ehren des Gottes Shiva, einer der wichtigesten Götter im Hinduismus.

Meine erste Tuctucfahrt, seit ich in Kenia bin!
Ein Tuctuc ist sowas, wie ein Minitaxi. Vorne ein Rad und hinten zwei.
Auf der Hinterbank können drei Personen mitgenommen werden.
Auf dem Foto sieht man den Tuctuc-Fahrer.

 In dem hinduistischen Tempel gab es sehr viele, prunkvolle Shivastatuen.

 Der Stier ist das "Reittier" des Gottes Shiva

Und noch ein paar Nebengötter. Deren Namen weiß ich jetzt allerdings leider nicht.

Eine Kuh im Hintergrund.
Diese ist in der hinduistischen Religion heilig und wird verehrt.

 Und nochmal Shiva

 Die schönen Gartenanlagen des Tempels musste ich mir doch gleich mal als Fotokulisse zunutze machen. Übrigens sieht man hier auch, dass ich keine Schuhe anhabe, was an diesem Ort Pflicht ist. War übrigens mega heiß barfuß auf diesen Steinen :)





Nachdem wir ausgiebig den Tempel besichtigt hatten, erkundeten wir weiter die Stadt.

 Erstmal gönnten wir uns ein Päuschen am Wasser,
wo es sehr ruhig und entspannend war.

 Und anschließend gingen wir durch Swahili-Town, einem stark muslimisch geprägten Teil Mombasas.




Später, als wir noch ein paar Besorgungen im Supermarkt machten fiel mir auf der Treppe etwas auf. Gerade wollte sowas sagen wie: "Boah ist das heiß hier" als mir die Weihnachtsdeko in die Augen sprang :)

Merry Christmas!

Am Sonntag und Montag machten wir zwei Strandtage. Zu viel Aktivität war bei der Hitze auch kaum möglich. Am Montag standen wir morgens sogar gegen 5 Uhr auf, um den Sonnenaufgang über dem Meer beobachten zu können. Und das hat sich echt gelohnt! Zwar kann man das in Bildern kaum wiedergeben aber es war echt wunderschön:


 Die Krabben haben überall am Strand ihre Löcher gebuddelt,
in die sie dann verschwunden sind, als die Sonne komplett aufgegangen war.








Auch den Rest des Tages verbrachten wir am traumhaften Diani Beach:



 schneeweißer Sand...











Abends fuhren wir dann mit dem Reisebus wieder zurück nach Nairobi, wo wir am nächsten Morgen gegen 6 Uhr ankamen. Auch am Ende waren wir uns einig, dass es wirklich die richtige Entscheidung war, trotz „Gepäcklosigkeit“ und Schock in den Urlaub zu fahren. In Nairobi hätten wir uns wahrscheinlich nur geärgert, dass uns durch den Zwischenfall auf der Hinfahrt auch noch der Urlaub vermiest wurde. Natürlich ist das voll ärgerlich, vor allem für Svenja und Melanie, deren Sachen jetzt weg sind, aber ich denke wir haben einfach das Beste aus der Situation gemacht und hatten deshalb eine echt schöne Zeit und Entspannung pur. Außerdem ist ja das Wichtigeste, dass es uns gutgeht und allein das war eigentlich schon Grund genug, den Urlaub anzutreten.
Jetzt bin ich wieder zurück in Buruburu und wurde von meiner Gastmutter mit einem fröhlichen „Welcome home!“ begrüßt. Irgendwie fühl ich mich hier auch schon ein bisschen wie zu Hause. Ich merke auch, dass ich nach dem Erlebnis auf der Hinfahrt ein wenig vorsichtiger geworden bin und z.B. mein Geld in meinen Socken usw. verstecke, was ich vorher aufgrund von Bequemlichkeit und Optimismus (Mir passiert sowas nicht…) nicht gemacht habe. Natürlich kann ich nicht aufs Bus- bzw. Matatufahren verzichten und werde dabei bestimmt auch erst mal ein etwas mulmiges Gefühl haben (vor allem im Dunkeln), aber ich denke mir im Moment, dass die Wahrscheinlicheit, dass soetwas zweimal passiert, ja sehr gering ist, vor allem, weil Überfälle dieser Art ja wie gesagt fast nur höchst selten vorkommen.
Jetzt habe ich erstmal ein paar Tage, um anzukommen und am Sonntag geht’s  auch schon wieder los in ein 10-tägiges Workcamp nach Kisumu am Viktoriasee, von dem wahrscheinlich mein nächster Blogeintrag handeln wir. Ich bin schon sehr gespannt, was mich dort erwartet. Bis dann!

Montag, 12. November 2012

Neues aus dem Little Bees

Es sind Ferien! Und zu diesem Anlass möchte ich euch ein paar Eindrücke von den ersten zwei Monaten im Little Bees Children Center vermitteln. Svenja und ich sind nach wie vor die Klassenlehrerinnen der Klasse 2, welche wir in einem Raum unterrichten, der mittlerweile schon von drei weiteren Klassen genutzt wird. Das erfordert echt Nerven, da es selten ruhig ist und das natürlich auch die Konzentration unserer Klasse (einschließlich ihrer Lehrer) und somit den Unterricht stört.
Aber wenn ich hier eines gelernt habe: Es hilft einfach nichts, sich ständig über alles aufzuregen, am sinnvollsten ist es, zu überlegen, wie man mit einer schwierigen Situation umgeht. Wenn zum Beispiel eh schon sechs Plätze weniger als Schüler in der Klasse vorhanden sind und dann auch noch eine Bank durchbricht, ist meiner Ansicht nach der beste Weg, eine Lösung für das Problem zu suchen und nicht rumzujammern. Und so habe ich mittlerweile gelernt, mit verschiedensten Situationen, in denen ich in Deutschland wahrscheinlich gesagt hätte „Das geht so nicht. So kann ich nicht arbeiten“ stark zu bleiben und stattdessen zu überlegen „Was mach ich jetzt mit dieser Situation?“. Dabei ist es wirklich eine sehr große Hilfe, dass Svenja und ich zu zweit sind und uns gegenseitig unterstützen und manchmal auch wieder aufbauen können, wenn es nötig ist.
Das war zum Beispiel auch sehr hilfreich im Umgang mit einigen Kommunikationsschwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die zwischen ein paar Lehrern und uns immer wieder aufkamen und manchmal sogar zu recht heftigen Konflikten führten. Oft hat es uns viel Überwindung und Mut gekostet, aber durch das ständige Bemühen um offene Gespräche und der Hilfe von CIVS, (der Organisation, die hier die Freiwilligendienste koordiniert), konnten ein paar Dinge aufgedeckt werden und wir konnten unsere Ansichten nach und nach relativ gut klarmachen und begründen.
Dazu hat auch ein Seminar zum Thema Humanismus und gewaltfreie Kindererziehung einen großen Teil beigetragen, das von einem meiner Meinung nach sehr kompetenten Referenten durchgeführt wurde. In diesem Seminar wurde die Lebenswelt des einzelnen Kindes, durch das Einbeziehen von Personen aus verschiedenen Organisationen und Institutionen, von Eltern und Lehrern für uns verständlicher gemacht und daran anknüpfende Verhaltensmöglichkeiten für Lehrer aufzeigt. Dieses Seminar hat meiner Meinung nach auch sehr zum gegenseitigen Verständnis zwischen ein paar Lehrern, mit denen wir häufig nicht auf einen Nenner kamen, und uns beigetragen und führte zu einer entspannteren und versöhnlichen Atmosphäre. Seitdem kann ich nun auch mit einem optomistischen Gefühl in die Ferien gehen, und mich auch auf eine weitere schöne Zeit im Little Bees freuen.

Und hier noch ein paar Fotos von der Arbeit im Projekt:

Die Straße, die zum Little Bees führt.
Die Schule befindet sich in einem der ärmeren Stadtteile Nairobis: Huruma. An Ständen, wie auf diesem Foto links, kaufen Svenja und ich jeden Morgen recht günstig Avocado und Bananen für die Frühstückspause ein.

Matheunterricht
Sofi (l.) lächelt fröhlich in die Kamera, während sich Anne (r.) sichtlich motiviert mit den Matheaufgaben befasst.

Wenn wir mit den Schülern gemeinsam ein Thema erarbeitet haben, erstellen wir dabei meistens ein Tafelbild, welches dann am Schluss von allen im Heft festgehalten wird.
Im Vordergrund sieht man Zahara, die gerade, etwas von der Tafel abschreibt.

Auch Anne, Sofi, Everlyne und Mohammed (v. l. n. r.) sind fleißig am Abschreiben.

Wenn die Schüler von uns an die Tafel gerufen werden und mal selbst Lehrer sein können, ist dies besonders motiverend für sie. Eine hier eher unübliche Unterrichtsform und deshalb wahrscheinlich auch ziemlich aufregend.
Hier sieht man Mohammed, wie er in einer Tabelle englische Verben durchkonjugiert.

In der Pausenzeit halten sich die Schüler hauptsächlich auf dem recht kleinen Schulhof auf. Manche spielen auch drinnen. Ist eine Kamera in Sichtweite, hat das auf viele eine große Anziehungskraft :)
"Nancy, Ibrahim, Everlyne! Say: Nairobiiiiii!"

Kamerascheu sind hier die Wenigsten. Nancy, Ibrahim und Allan nutzen die Pausenzeit für ein paar coole Posen :)

Die Boys

...und noch ein Foto mit "Cha" (kurz für "teacher")
von links nach rechts: Lilian, Brenda, Nancy und Ilyne

In der Regenzeit sind die Regenschirme für eine kleine Fotosession besonders beliebt.
Benson (l.) und Allan (r.)

Ibrahim, Joseph, Benson und Hassan mit den Regenschirmen der Mädels.

Von 12.40 bis 14.00 ist Lunch-Break. Da gibts Githeri (Mais und Bohnen) für alle Schüler und Lehrer. Auch ich esse unter der Woche jeden Tag Githeri. Meistens vertrage ich das ganz gut. Zwischendurch auch mal nicht so. Wenn mein Magen eh schon ein bisschen verrückt spielt, gönn ich mir auch schonmal ne Portion Reis auf der Straße für unglaubliche 20-30 ksh (bzw. cent)

Nachmittags lassen wir die Schüler meistens etwas über ein Unterrichtsthema malen. Zwischendurch gibts auch schonmal "Kunstunterricht".
Letzte Woche haben wir den Schülern beigebracht, wie man einen Menschen malt. Danach haben sie sich durch demokratische Abstimmung (Man könnte es fast Politik-Unterricht nennen) für den Namen Jackie Chan entschieden. Anschließend konnte sich jeder etwas ausdenken, was der Mensch noch so bei sich hat (Geld, Handy, Schokolade), was er sonst noch trägt (Mütze, Handtasche usw.) und was sich um ihn herum befindet (Mond, Straße, Matatu, Auto, Haus, fußballspielende Kinder, Flugzeug usw.). Zugegeben. der Mensch ist dann im Verhältnis zu seiner Umwelt doch ein kleines bisschen überdimensional groß geworden ;)

Die Schüler haben das Bild so gut es ging abgezeichnet, ggf. noch mit weiteren Ideen ergänzt und es anschließend bunt ausgemalt. Hier sieht man Mohammed beim Malen.

In einer anderen Stunde haben wir das Thema Familie durchgenommen und die Kinder am Nachmittag dazu aufgefordert, ein Bild über ihre eigene Familie zu malen. Dabei sind sehr schöne Bilder entstanden sind, durch die wir übrigens auch einiges über die Kinder erfahren konnten.







Und hier noch ein kleines Video aus einer Nachmittags-Malstunde.

So! Aber jetzt sind erstmal Ferien. Ich muss sagen, dass ich glaube, dass mir eine Pause im Moment sehr gut tut. Es ist immer sehr schön und anstrengend mit den Kindern.
Und im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass es mir hier seelisch und auch körperlich sehr gut geht und ich keine ersthaften Probleme hab, an denen ich verzweifle. Ich wachse eher mit meinen Aufgaben und lerne unglaublich viel dazu. Es gibt immer Up's and Down's. Aber ich kann mich nach einem Down (wie zum Beispiel ein kleiner Anflug von Heimweh) immer schnell wieder aufraffen, weil es hier so unglaublich viel zu erleben und zu entdecken gibt, was ich sehr genieße und womit es mir sehr gut geht.