Nach einiger Zeit gibt es auch hier mal wieder ein
Lebenszeichen von mir. Hier ist einfach immer so viel los, dass ich gar nicht
dazu komme, meinen Blog zu schreiben, aber heute habe ich mir mal ein bisschen
Zeit dafür genommen, weil ihr ja auch mitkriegen sollt, was hier so los ist:
Das Projekt – Little Bees Children Centre
Vor drei Wochen sind Svenja und ich in unserer
Einsatzstelle, dem Little Bees Children Centre, in Huruma angekommen. In dieser
Schule werden Kinder und Jugendliche ab der „nursery“ (3-5 Jahre) bis Klasse 8
unterrichtet. Die meisten Kinder kommen aus benachteiligten Verhältnissen und
haben in dieser Einrichtung die Möglichkeit, in die Schule zu gehen und
bekommen auch mittags etwas zu essen. Im Verhältnis zu der Lehreranzahl gibt es
sehr viele Schüler, die auf recht engem Raum unterrichtet werden, da natürlich
so viele Kinder wie möglich aufgenommen werden sollen.
Nach einer sehr kurzen Einarbeitungszeit (ca. 10 Minuten)
wurde uns dann auch schon eine zweite Klasse zugeteilt, in der wir seitdem die
Fächer Englisch, Mathe, Social Studies, Science und Religion in englischer
Sprache unterrichten. Eine Aufgabe, die eine große Herausforderung und oft auch
eine Überforderung für uns beiden Nicht-Lehrerinnen mit wenig Erfahrung in diesem
Bereich darstellt. Außerdem sind die Unterrichtsvoraussetzungen in dieser
Schule anders als solche, wie man sie aus Deutschland gewöhnt ist. Die Kinder
verfügen über deutlich weniger Materialien. So kommt es vor, dass Einzelne
nicht mitschreiben können, da sie kein Heft haben oder wenn jemand seinen
Bleistift verliert, ist oft kein Zweiter griffbereit, sodass erstmal eine
Suchaktion gestartet wird. Nur sehr wenige Schüler in der Klasse haben ein
Radiergummi, welches sie sich dann teilen und zum Stifte anspitzen werden
Rasierklingen benutzt, über die ich mich an Anfang etwas erschrocken habe,
bevor ich wusste, dass es für die Kinder üblich ist, eine solche mit sich zu
führen. Svenja und ich teilen uns einen Raum mit zwei weiteren Klassen. Diese
Klassen“räume“ sind sehr klein und durch aufgehängte Planen voneinander
abgetrennt, weshalb bei der Unterrichtsgestaltung der Lautstärkefaktor immer
mit einbezogen werden muss. Das stellt natürlich eine Einschränkung, gerade bei
kreativen und spielerischen Methoden, dar.
Die Kinder haben nur wenig Platz, da sie meist zu viert auf einer solchen Schulbank sitzen.
Da sind gelegentliche Streitereien nachvollziehbar.
Über diese Leiter gelangen die älteren Schüler in ihren Klassenraum.
Mit einer Plane werden zwei Klassenräume voneinander abgetrennt.
Wenn's in einer Klasse mal unruhig wird, haben alle etwas davon. Und auch sonst bekommen wir alles mit, was sich in den beiden Nachbarklassen abspielt und natürlich auch umgekehrt.
Nachdem wir in den ersten Tagen extrem überfordert waren und
nicht wussten, wie wir diesen Anforderungen in den nächsten 11 Monaten gerecht
werden sollten, haben wir uns mit der Zeit immer mehr unseren Weg gebahnt, um
den Kindern einen nach unseren Möglichkeiten guten Unterricht bieten zu können, der auch
nach unseren Vorstellungen pädagogisch wertvoll ist und sich so gut es geht in
die Gegebenheiten und das Konzept der Schule und den Lehrplan einfügt. Es gibt viele
Unterschiede zum deutschen Schulsystem, Voraussetzungen, Methoden und Ansichten
und manchmal fällt es wirklich schwer bzw. scheint es auch nicht möglich zu
sein, einen Mittelweg zu finden, mit dem möglichst alle zufrieden sind.
In
solchen Situationen versuche ich mir zu denken, dass die Situation eben da ist,
und dass es darauf ankommt, selbst das Beste daraus zu machen, anstatt zu resignieren,
zu verurteilen oder sich aufzuregen. In manchen schwierigen Momenten fällt es
sehr schwer, sich das vor Augen zu halten und natürlich wird es manchmal
einfach zu viel oder ich rege mich dann einfach nur über verschiedene Dinge
auf.
Allerdings hat uns diese Einstellung in den letzten Wochen wirklich
geholfen, uns mit der Situation zu arrangieren und etwas möglichst Gutes daraus
zu machen. Wir haben eine Tagesstruktur entwickelt und konnten mittlerweile
auch in chaotischen Situationen immer mehr Sicherheit gewinnen und konsequenter
reagieren. Wir haben auch Möglichkeiten gefunden mit unserer eigenen Energie
effizient umzugehen, was uns bei der Erfüllung der zuerst nicht machbar
erscheinenden Anforderungen wirklich geholfen hat. Dabei waren Buntstifte eine
sehr große Hilfe. So machen wir vormittags Unterricht und nach der Mittagspause
reflektieren wir diesen kurz mit den Schülern und meistens geben wir ihnen dann
die Aufgabe, ein Bild über ein bestimmtes Thema zu malen. Für den Unterricht nutzen wir eine Mischung
aus Frontalunterricht und spielerischen, kreativen Methoden, für die wenig
Platz benötigt wird und die nicht zu viel Lautstärke provozieren. Außerdem haben
wir eine uns sinnvoll erscheinende Sitzordnung für die Schüler festgelegt. Und
wenn sich mal ein Schüler gar nicht gut verhält, haben wir verschiedene
Möglichkeiten, um spontan darauf zu reagieren (extra Matheaufgaben, heute mal
kein Bild malen, Platzwechsel, bei Streit miteinander reden).
Trotzdem habe ich oft das Gefühl, dass wir den Kindern nicht
all das beibringen können, was sie lernen müssen und frage mich, was uns
überhaupt als „Nicht-Lehrer“ dazu berechtigt,
sie zu unterrichten. Vor allem Fächer wie Religion oder Social Studies,
für die ein Lehrer, der mit derselben Kultur, wie die Kinder vertraut ist,
meiner Meinung nach geeigneter wäre. Ein Kritikpunkt, der nicht ganz unbeachtet
werden lassen sollte. Wir versuchen uns in diesem Falle recht genau an die
Themen in den Lehrbüchern zu halten und diese für die Schüler nach unserem
Ermessen möglichst interessant zu gestalten.
Nancy (l.) und Carol (r.) bearbeiten hochkonzentriert eine Aufgabe.
he, she, it - "s" muss mit!
Gefühle - das daran anschließende Pantomime-Spiel schien allen viel Spaß gemacht zu haben.
gesunder Pausensnack
„Die Kenianer
sind…???“
Wie ich letztens sehr eindrücklich erfahren habe, sollte man
in einem Matatu lieber kein Handy benutzen, zumindest nicht, wenn man einen
Platz am offenen Fenster hat. Obwohl wir davor gewarnt wurden, habe ich in das
Gute im Menschen vertrauend ganz in Ruhe eine SMS geschrieben. Und Zack! - eine
Hand von draußen und das Handy war weg. So schnell kanns gehen. Da habe ich
mich echt total geschrocken und auch über mich selbst geärgert. Ich war den
ganzen Nachmittag ziemlich sauer und habe nicht mehr so viel Gutes in den
Menschen, vor allem in denen aus Nairobi sehen können. Als Svenja und ich noch
am selben Abend im City Center den Weg zu einem Treffpunkt nicht wussten und
eine Verkäuferin uns quer durch die ganzen Straßen bis zu unserem Ziel geführt
hat, war ich –in Gedanken noch an der „Handyklausituation hängend“- erst total
misstrauisch und hatte Gedanken wie „Die führt nicht zum richtigen Ort, oder an
einen gefährlichen Ort, an dem wir ausgeraubt werden“ oder „Die will nachher
bestimmt Geld von uns“ und hatte schon überlegt, ihr nicht mehr zu folgen. Als
sich die Verkäuferin dann am richtigen Ziel angekommen von uns verabschiedete,
uns einen schönen Abend wünschte und einfach ging, wurde mir klar, dass sie
einfach nur sehr nett und hilfsbereit
war. In dieser Situation wurde mir deutlich, dass in Kenia, wie in
Deutschland wie auch in allen anderen Ländern dieser Welt ganz unterschiedliche
Menschen leben (und nicht zb. alle Kenianer auf Geld aus und alle Deutschen
superordentlich sind) und dass Sätze wie „Die Kenianer sind…“ oder „Die
Deutschen sind…“ keinen Sinn machen weil es kein Land auf der Welt gibt, in dem
alle Menschen gleich sind.
Und auch Nairobi ist eine sehr vielfältige Stadt. Und das
ist vielleicht die einzige Aussage, die man treffen kann, die ganz Nairobi
beschreibt. Man muss nur in ein Matatu steigen, ein paar Minuten fahren und
schon hat man Gebiete gesehen, in denen sehr arme Menschen in Slumgegenden mit
nur wenigen befestigte Straßen, wenig Platz und Müllproblemen leben und kurze
Zeit später befindet man sich in Gegenden, in denen plötzlich gar kein Müll
mehr liegt, große schicke Häuser mit großen Grünanlagen stehen, die Straßen nicht
mehr holpern, in denen schicke Autos herumfahren und sogar die Luft ganz anders
ist. Und zwischen diesen beiden Extremen, die ich hier beschrieben habe, gibt
es natürlich auch noch ein großes Spektrum an Erscheinungsbildern, die Nairobi
zu bieten hat. Wer Lust hat, sich das mal genauer anzusehen, sollte sich
unbedingt den Film „Nairobi Half Life“ angucken. Ein spannender Film, der ein
sehr realistisches und authentisches Bild - beziehungsweise Bilder - von der Stadt
vermittelt, in der ich zurzeit lebe. Ich war gestern Abend im Kino, um ihn mir
anzusehen und total begeistert.
Nach Feierabend
Natürlich arbeite ich nicht 7 Tage die Woche und 24 Stunden
am Tag (Das ist auch gut so!). Nachdem ich von 8-15 Uhr in der Schule war, habe
ich Feierabend und fahre mit dem Matatu (kleiner Bus mit meistens sehr lauter
Musik) den holperigen Weg von Huruma nach Buruburu. Dort habe ich zweimal pro
Woche Kiswahilikurs und ansonsten trifft man sich hier öfters mal spontan, um
was zu unternehmen, was essen zu gehen oder einfach nur in der Saftbar zu
sitzen und zu quatschen. Es gibt auch ein Schwimmbad, in dem wir auch schon
waren. Außerdem kann man hier super shoppen gehen. In Buruburu gibt es einen Markt,
auf dem man nach einigem Wühlen und Verhandeln supergünstig an echt schöne
Sachen kommt. Auch an den Straßenrändern werden überall Klamotten, Schuhe,
Schmuck, Socken, Möbel, Gemüse, Obst, Nüsse, Maiskolben, Hühner und eigentlich
alles was man sich sonst so vorstellen kann, verkauft.
Schuhe!
Es gibt außerdem viele Pubs, in denen man uns dann auch
gelegentlich mal antrifft (Sisi si walevi!), in denen wir uns dann bei
vitaminreichen Getränken über die Woche austauschen ;) Für das Wochenende gibt
es eine große Auswahl unterschiedlicher Clubs, in denen man echt toll feiern
und tanzen gehen kann und ständig interessante Menschen trifft. Und wenn man
dann mal als Weiße nicht so auffallen möchte, fährt man einfach nach Westlands.
Dort wohnen die eher wohlhabenderen Menschen aus Kenia und dem Rest der Welt
und alle sind gleich unterschiedlich, so dass der einzelne gar nicht mehr
auffällt. In Discos und Pubs werden ganz nach dem Motto: "Was im Pub passiert bleibt im Pub (und nicht bei Facebook)" keine Fotos gemacht. Eigentlich eine ganz gute Sache.
Wir fahren auch öfters mal woanders hin. Zum Beispiel ins
Nairobi City Center, wo es z.B. den Uhuru Park gibt, in dem man recht gemütlich
sitzen kann.
Der Uhuru Park im City Centre
Ansonsten es im City Centre sehr stressig. Überall laufen viele
Menschen herum und man darf nicht stehen bleiben und sich anmerken lassen, wenn
man orientierungslos ist (passiert mir ja schon gelegentlich mal) da man sonst
eher beklaut wird, als wenn man selbstbewusst durch die Straßen läuft. Also:
Weitergehen und währenddessen überlegen wo man eigentlich langmüsste.
Letzten Sonntag waren wir im City Central Park oder auch
Affenpark genannt. Hier leben viele Affen, die frei herumlaufen und man kann
sich gemütlich auf eine Wiese setzen und sie beobachten. Außerdem gibt es dort
viele Pflanzen und Bäume. Ein sehr schöner Ausgleich zu den eher stressigen
Orten an denen man sich hier meistens sonst so aufhält.
Annäherungsversuche :)
...ein herrlicher Tag!